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29.11.2022
Storytelling macht den Content stark

Ich stand vor der Aufgabe wie der Wanderer vor dem Wildstrubel. Im Sitzungszimmer hingen dutzende Zettel an der Wand. Ideen für das Projekt, mit dem ich bald starten sollte. Noch bevor ich meinen ersten offiziellen Arbeitstag bei in flagranti begonnen hatte, fühlte ich mich überfordert. Vielleicht war ich doch nicht geeignet als «Storyteller» in einer Kommunikationsagentur?

Die Aufgabe war, die Vision der Lenk Bergbahnen zu erzählen. Und zwar so, dass die Mitarbeitenden Lust auf diese Vision bekommen. Lust zum Mitmachen. Es gab ein Strategiepapier: die Tourismus-Zukunft in der Lenk. Immerhin kannte ich die Region, war selbst schon in den Ferien dort. Jetzt also eine Geschichte, die von dieser Zukunft erzählt. Corporate Storytelling. Wie macht man das?

Was ist eine (gute) Story?

Vielleicht haben Sie es beim Einstieg in diesen Text schon gemerkt. Eine (gute) Geschichte stellt dem Publikum am Anfang eine grosse Frage (werde ich es schaffen, die Aufgabe zu meistern?). Und hält es dann möglichst lange hin bis zur Antwort.

Dazu braucht eine Geschichte eine Heldin oder einen Helden (ich). Sie braucht eine Handlung (Vision der Lenk Bergbahnen erzählen). Sowie ein Ziel (Projekt zum Erfolg führen). Im besten Fall hat die Handlung einen Konflikt (meine Überforderung im neuen Job) und die Heldin oder der Held einen persönlichen Wunsch (Storyteller sein).

Welche Stories sollten Sie erzählen?

In einem der meistbeachteten TED-Talks spricht Simon Sinek über die Kommunikationsstrategie erfolgreicher Unternehmen. Er sagt: «People don’t buy what you do; they buy why you do it». Das Warum (der Brand Purpose) ist sicher ein guter Ausgangpunkt, um Geschichten zu erzählen. Aber es ist wohl auch der herausforderndste Ansatz.

Wichtig ist, klar zu definieren, welche Botschaft Ihre Story transportieren soll. Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen, die Botschaft zu definieren:

Wofür wird mein Produkt/Angebot genutzt? Und vom wem?
Welches Problem kann mein Produkt/Angebot lösen? Was ist der grösste Vorteil?
Wo liegt mein Alleinstellungsmerkmal? Mit welcher Expertise kann ich dienen?
Was ist meine Gründungsgeschichte? Warum habe ich das Produkt/Angebot entwickelt?
Wofür steht mein Unternehmen? Welche zentrale Wahrheit lässt sich mit meinem Produkt/Angebot verknüpfen?

Eine Geschichte ohne Publikum ist wertlos. Darum ist die Frage zentral, wem Sie die Story erzählen wollen. Denken Sie an Ihre Zielgruppe. Welche Bedürfnisse hat sie? Wo würde sie am meisten mitfühlen? Wirkungsvolle Geschichten bewegen sich in der Schnittmenge von Markenbotschaft und Zielgruppenbedürfnis.

Die Psychologie kennt einige menschliche Bedürfnisse und Motive. Hier eine Auswahl, die ich fürs Storytelling relevant finde:

Bedeutsamkeit: persönliche Entwicklung oder neue Einsichten erlangen
Stimulation: Neues entdecken und Anregung bekommen
Sicherheit: sicher vor Bedrohung und Ungewissheit sein
Kompetenz: fähig und effektiv sein
Zugehörigkeit: mit Menschen verbunden sein, die man mag und die einen mögen
Autonomie: gemäss eigenen Vorstellungen handeln
Anerkennung: gemocht und respektiert werden
Geschichten helfen uns, die Welt zu deuten.
Warum lohnt sich Storytelling?

Könnten Sie sich 100 beliebige Zahlen in 10 Minuten merken? Sie könnten. Zumindest mit ein bisschen Übung. Gedächtniskünstler merken sich Zahlen, in dem sie aus Ziffern Wörter machen (Major System) und aus den Wörtern eine Geschichte basteln. Der Psychologe Jerome Bruner, Professor in Harvard, hat herausgefunden, dass wir uns Fakten 20-mal besser merken, wenn sie in einer Geschichte erzählt werden. Indem Sie Ihre Botschaft in einer Story verpacken, bleibt sie den Menschen länger im Gedächtnis.

Wir sind quasi süchtig nach Geschichten. Sie mobilisieren nicht nur unsere Sinneswahrnehmung, regen die Hormonausschüttung an und synchronisieren Hirnareale von Erzähler:in und Zuhörer:in. Sie helfen uns auch, die Welt zu deuten. Wir können damit Erfahrungen abgleichen, neue Handlungsoptionen lernen und unser Erleben einordnen. Die Psychologie unterscheidet diese drei Aspekte:

Erfahrungsabgleich: Wir kennen die Geschichte (haben es selbst schon erlebt) und können uns in sie hineinversetzen – dabei lernen wir neue Handlungsoptionen kennen.
Stellvertreterlernen: Wir haben die Geschichte nicht selbst erlebt und lernen von der Heldin oder dem Helden, welche diese stellvertretend für uns durchleben.
Kontextualisierung: Wir durchsuchen Geschichten nach Mustern, die uns helfen, unser eigenes Erleben besser zu verstehen.
Gibt es ein Happy End?

Für die Lenk Bergbahnen entwickelte ich schliesslich eine Liebesgeschichte. Sie heisst «Schmetterlinge im Kopf». So lautet der Teaser: «Damian ist neu an der Lenk. Tanja wohnt dort schon ihr Leben lang. Zusammen verbringen sie ein Jahr voller Bergerlebnisse, wie sie im Hinblick auf unsere Vision eines Tages stattfinden könnten». Die Geschichte soll die Mitarbeitenden der Lenk Bergbahnen zu neuen Ideen inspirieren (Markenbotschaft). Gleichzeitig soll sie ihnen die Angst nehmen, dass ihre Lenk im Tourismus der Zukunft nicht mehr ihre Lenk sein könnte (Zielgruppenbedürfnis).

Das Strategie-Team der Lenk Bergbahnen schrieb mir nach dem ersten Draft: «Mit grosser Begeisterung haben wir die Visionsgeschichte gelesen (…) wirklich ganz grosses Kompliment.»
(Hier geht es zum Case.) Mittlerweile fühle ich mich Storyteller genug, diesen Blogbeitrag zu schreiben. Und was ist Ihre Story?

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